Das wichtigste in Kürze
Unwetter 2005 in Klosters
Hochwasser August 2005
Am Montagnachmittag, den 22. August 2005 setzten flächige Starkniederschläge mit Intensitäten von 4 bis 9 mm pro Stunde ein. Diese hielten bis am Dienstagmorgen um 5 Uhr an, danach sanken die Stundenwerte wieder unter 4mm/Stunde. Im Silvrettagebiet hat es mit grosser Wahrscheinlichkeit stärker geregnet. Neben den andauernden Niederschlägen mit hohen Intensitäten und grosser Verbreitung, waren auch die zuvor wassergesättigten Böden und nicht zuletzt die hohe Schneefallgrenze mitentscheiden. So fielen zwei Tage vorher bereits verbreitet Gewitterregen mit Mengen von 40mm, in den Höhen in Form von Schnee. Da am Montag die Schneefallgrenze über die Gipfel anstieg, schmolz der Neuschnee und floss mit dem Regenwasser zu Tal.
Die Verwüstungen durch die verschiedenen Gewässer waren gewaltig und führten zu Schäden von insgesamt rund 40 Mio. Franken. Die meisten Schäden wurden durch grosse Materialablagerungen, Verschiebungen des Bachbetts und die Überschwemmungen der Landquart verursacht. Die hohen Abflüsse vermochten das Bachbett der Landquart und des Schlappinbachs zu destabilisieren. Die Landquart schwemmte in den Teilstrecken Pardenn-Monbiel und Platz-Gulfia das Ufer über weite Strecken weg. Sie vertiefte das Bachbett jedoch höchstens lokal. Auch der Schlappinbach wütete im Tobel.
In flacheren Abschnitten unterhalb von Monbiel und zwischen der Münung des Schlappinbachs und der ARA Serneus füllten die Geschiebemengen verschiedentlich das Bachbett der Landquart vollständig, worauf der Fluss aus seinem angestammten Bachbett ausbrach und das Land überschwemmte. Das ursprüngliche 10-15 m breite Bachbett wurde gebietsweise bis um das Zehnfache verbreitert.
Durch die massiven Ufererosionen wurden auch grosse Holzmengen mitgerissen. Diese führen in Klosters Platz auf Höhe der Sportanlagen zu einer vollständigen Verklausung der alten Strandbadbrücke. Das Wasser floss mitsamt Geschiebe in den Doggilochsee, dem Ausgleichsbecken der Rätia Energie. Von dort flossen die Wassermassen versetzt mit Sand und feinem Schlamm ins Doggilochquartier. Auch bei der Brücke der Landstrasse war die linke Durchflussöffnung verbarrikadiert.
Folgeprojekt
Die Gemeinde Klosters-Serneus hat sich entschlossen, den Hochwasserschutz an der Landquart zwischen der ARA in Serneus und Monbiel zu verbessern. Für die Erhöhung der Hochwassersicherheit in Klosters Platz ist Monbiel ein zweistufiger Geschiebe- und Holzrückhalt geplant. Zwischen diesem Rückhalteraum und dem Doggiloch muss das Bachbett gegen unerwünschte Eintiefungen gesichert werden. Vom Geschieberückhalt bis zur Brücke der Landstrasse wird die Landquart verbreitert. Wuhre und Ufermauern müssen erhöht werden. Auch die Brücken müssen angehoben und wegen der grösseren Spannweite teilweise neu gebaut werden. Für Ereignisse, bei welchen das Wasser diese geplanten Schutzbauten immer noch überfliessen würde, sind von der Landquart zurückversetzte Dämme und Mauern vorgesehen. Diese leiten das ausgeflossene Wasser in die Landquart zurück.
Diese Massnahmen sind für einen optimalen Schutz des Siedlungsgebiets und eine Minimierung von Schäden notwendig. Die Brücke bei der Landstrasse wird durch eine neue, im Ereignisfalls anhebbare Brücke ersetzt. Unterhalb der Landstrasse ist eine Vergrösserung des Bachlaufes wegen der nahen Gebäude nicht möglich. Dort sind bei gefährdeten Objekten (tiefliegende Öffnungen wie Fenster oder Türen) Objektschutzmassnahmen vorgesehen. Im Bereich der Talbachmündung werden die Sohle und die Ufer stabilisiert und die Mündung des Talbaches saniert. Die bestehende glatte Uferschutzmauer aus Beton unterhalb des Rivabordes, wird mit Rauheitselementen ergänzt, was die Fliessgeschwindigkeit reduziert. In exponierten Abschnitten in der Steilstrecke zwischen den Mündungen des Talbachs und des Schlappinbachs werden die Ufer in Ausenkurven geschützt.
Im Türmlimutz beim Bad Serneus ist eine Verbreiterung des Bachbettes vorgesehen. Die Schutzmassnahmen sind so platziert, dass sich dort die Landquart eigendynamisch entwickeln kann. Dank der Verbreiterung im Türlimutz können Geschiebeablagerungen im Bereich der Brücken zum Bad Serneus und nach Serneus reduziert werden. Diese beiden Brücken müssen wegen des breiten Bachbetts neu gebaut werden. Zudem wird die Brücke Serneus bachaufwärts verlegt, was verkehrstechnische und wasserbauliche Vorteile hat. Zum Schutz des Gewerbegebietes Walki und des Siedlungsgebietes Usser Au sind von der Landquart zurückversetzte Schutzdämme vorgesehen. Die Sicherheit des Werkhofs Klucker und der ARA wird durch lokale Objektschutzmassnahmen erhöht.
Die Entstehung unserer Landschaft
Klosters liegt zwischen Afrika und Europa
Die Alpen - und damit auch das Prättigau - sind das Produkt des Zerbrechens und wieder Zusammenfügens der Kontinente, sie sind Riss- und Schweissnaht zwischen den Kontinenten zugleich. Etwa 200 Mio. Jahre dauerte das Zerbrechen, ungefähr 100 Mio. Jahre des Zusammenfügens - und es ist noch nicht zu Ende. Vor rund 250 Mio. Jahren zerfällt der Superkontinent Pangäa in einzelne auseinanderdriftende Kontinentplatten, zwischen denen sich Ozeanbecken bilden. Zwischen den Platten Afrika und Eurasien entwickelt sich im Verlauf von 100 Mio. Jahren ein Meeresbecken: das Urmittelmeer, genannt Tethys.
Vor rund 90 Mio. Jahren tritt eine dramatische Wende ein: Afrika und Europa beginnen sich wieder zu nähern, es kommt zur Kollision der zwei Platten (im erdgeschichtlichen Schneckentempo von einigen Millimetern bis Zentimetern pro Jahr), wobei sich die Afrikanische Platte über die Eurasische schiebt. Unter dem gewaltigen Druck zersplittert die Eurasische Oberkruste in Späne. Dieser Dauercrash setzt sich über Jahrmillionen fort und lässt dabei ein Gebirge von gigantischen Ausmassen entstehen, das laufend wieder abgetragen wird.
In Klosters leben wir zwischen den Kontinenten:
Die Silvrettadecka mit ihren kristallinen Gneisen gehört zur Afrikanischen Platte und der Kalkstein der Madrisa wird der europäischen Platte zugerechnet.
Dazwischen befindet sich das Gestein, das zwischen den Kontinenten zermalmt wurde (Bsp. Serpentinit) oder das aus Meeresablagerungen aus der Entstehungsgeschichte der Alpen (Bsp. Flysch) stammt.
Der Vorgang der Alpenhebung ist immer noch nicht abgeschlossen. Jährlich hebt sich der mächtige Gebirgszug max. 1,4 mm. Das Wachsen der Alpen wird heute jedoch durch den Vorgang der Erosion ausgeglichen. Von der Geburtsstunde der Alpen an bis heute wurden die Berge durch Naturereignisse, wie wir es im August 2005 erlebt haben, immer wieder ins Vorland gespült. Würde keine Abtragung erfolgen, wären die Alpen gemäss Schätzungen über 30 Kilometer hoch.
Eiszeiten
Die heutige Landschaft haben die Gletscher während mehrerer Eiszeiten (vor ca. 1,7 Mio. bis 10'000 Jahren) gestaltet. Das Prättigau, das bereits vor den Eiszeiten durch Flüsse vorgebildet war, wurde durch die gewaltigen Gletscher ausgehobelt. Im Tal war die Eisschicht über 1'000 m dick, d.h. sie reichte bis fast an die Gipfel heran.
Die letzte Eiszeit, die Würm-Eiszeit verdient besondere Beachtung, weil sie das heutige Aussehen des Prättigaus letztlich am stärksten geprägt hat. Die Gletscher tieften die in der Voreiszeit und in den Zwischeneiszeiten entstandenen V-Täler weiter ein. Dabei entstanden die sog. Trog- oder U-Täler. Beim jeweiligen Abklingen einer Kälteperiode und dem darauf folgenden Rückzug hinterliessen die Gletscher mächtige Schuttablagerungen wie Moränen oder glaziale Schotterterrassen.
Vor 20'000 Jahren lag das Prättigau noch unter Eis. Vor etwa 10'000 Jahren lag die Gletscherzunge dort, wo heute Klosters-Platz liegt. Im Raum Selfranga heute findet man augenscheinlich die Hinterlassenschaften von mindestens sieben späteiszeitlichen Gletschervorstössen. Auf den Böden hinunter den grössten Moränen wurde kürzlich der Golfplatz Klosters gebaut.
Erosion
Seit der letzten Vergletscherung sind grosse Berggebiete eisfrei. Seither nagen Tag für Tag Sonne, Wind und Regen an allem, was sich auf der Erdoberfläche befindet. Dabei zerkleinert die Verwitterung entweder chemisch oder mechanisch jedes noch so harte Gestein. Wasser und Lawinen transportieren diesen mehr oder weniger groben Schutt ins Tal hinunter. Diese Veränderung erfolgt kontinuierlich und langsam oder aber sprunghaft als spektakuläres, bedrohliches Ereignis.
Massenbewegungen
Massenbewegungen sind natürliche Vorgänge, die Landschaften neu herausbilden, verändern oder zerstören können. Den Transport übernimmt meist Wasser, wie etwa bei Murgängen oder Rüfen. Berg- und Felsstürze wie auch Steinschlag benötigen kein Transportmittel, ihnen genügt die Erdanziehung.
Baumstamm
Beim grossen Naturereignis des Jahres 2005 hat die Landquart an verschiedenen Stellen in Klosters ihr Rivabord weggespült und weiter nach hinten versetzt. So auch hinter dem Schwäderlocher Maiensäss. Dabei wurde ein paar Meter unter der Oberfläche ein Baumstamm freigespült. Dieser Baumstamm, der inmitten des Erdreichs gut eingelagert war, konnte als Stamm einer Weisstanne identifiziert werden. Der Archäologische Dienst des Kantons Graubünden hat zusammen mit externen Fachleuten mit Hilfe der 14C-Methode und der Dendrochronologie sowohl das Alter der Weisstanne wie auch das genaue Jahr ihres Sturzes feststellen können: Die Weisstanne ist im Jahre 808 v. Chr. im Alter von 273 Jahren umgestürzt und begraben worden. Eine Erklärung dafür ist, dass 808 v. Chr. aus dem Chinn eine Rüfe ins Tal hinuntergedonnert sein muss und die Weisstanne unter sich begraben hat.
Die Ursachen liegen in der Entstehungsgeschichte unserer Erde begründet. Geländeform und Beschaffenheit von Gestein und Boden einer Landschaft, zum Beispiel brösliger oder zerklüfteter Boden auch auch wasserlöslicher Untergrund, sind typische Ursachen für Massenbewegungen. Dauerregen oder Erdbeben lösen dann das Abrutschen des Geländes aus.
Rüfen
Rüfen (Murgänge) entstehen bei lang andauerndem oder heftigem Regen, Hagelschlag und/oder bei der intensiven Schneeschmelze. Rüfen werden definiert als ein plötzlich auftretendes, schnell fliessendes Gemisch aus Wasser und einem hohen Anteil an Festmaterial (Steine, Blöcke, Geröll oder Holz). Eine Rüfe besitzt ein beträchtliches Erosionsvermögen, sie vermag grosse Geschiebe- und Geröllmassen (Blöcke von mehreren m3 Volumen, Baumstämme, usw.) umzulagern. Voraussetzung für die Bildung von Murgängen ist das Vorhandensein von Lockermaterial, Wasser und einem genügend grossen Hang- oder Gerinnegefälle. In den Alpen ist oberhalb der Waldgrenze in Schutthalden und in Moränen von Gletschern viel Lockermaterial abgelagert worden, wobei sich Geländeneigungen an der Grenze der natürlichen Stabilität ausgebildet haben.
Rüfen sind seit je her, verstärkt jedoch direkt nach dem Rückzug der Gletscher von Talflanken hinuntergestürzt. Sie haben den Talboden gefüllt und mit Schuttfächern die Landschaft gestaltet. Klosters Platz, Klosters Dorf, die Aeuja und z.T. auch Monbiel stehen auf solchen Schuttfächern. Mit Dämmen wird heute versucht, die Siedlungen vor Rüfen zu schützen.
Bergsturz von Monbiel
Im Juni 1770 brach oberhalb von Monbiel ein Felssturz los, der 13 Behausungen, 27 Ställe und 7 Speicher zerstörte. 17 Personen - ein Drittel der damaligen Monbieler Bevölkerung fanden dabei den Tod.
Die Ursache dafür war neben einer anhaltenden Nässe und starken Regenfällen auch das starke Abholen der Wälder. Das Wiedererstehen des Dörfchens auf den Trümmern des Alten lässt schliessen, dass damals die Gefahr nicht als mehr drohend angesehen wurde. Im 20. Jahrhundert haben Sackungen und kleine Abbrüche stattgefunden und die Gemeinde veranlasst Massnahmen vorzunehmen. Die letzten Messresultate zeigen, dass keine unmittelbare Gefahr droht. Die während der vergangenen Jahrzehnte ausgeführten Massnahmen haben die Situation beruhigt.
Hochwasser des Talflusses
Wenn die Landquart über die Ufer tritt und alles mit sich reisst, besitzen wir in Klosters keinen Fachausdruck dafür. Darum sprechen wir je nach persönlicher Sicht vom Hochwasser, vom Unwetter, von der Katastrophe oder vom Naturereignis im August 2005. Denn ein solches fand bis jetzt zum Glück so selten statt, als dass eine Bezeichnung von Generation zu Generation weitergegeben werden konnte.
Aus landschaftsgeschichtlichem Blickwinkel finden jedoch solche Naturereignisse häufig statt. In der Landschaft können wir denn auch ihre Spuren gut erkennen. Zu erwähnen sind einerseits die grossen Schwemmebenen von Novai-Pardenn wie auch von Aeuja-Doggiloch-Au und die im Volksmund als Rivabord bezeichneten Abhänge zur Landquart hinunter.
Der Begriff Rivabord hat nichts mit dem Raureif zu tun, wie oft vermutet wird. Der Begriff wird aus den Wörtern "Riva" (rätoromanisch: Fluss) und "Bord" (schweizerdeutsch: abschüssiger Rand) gebildet. In der Fachsprache wird das Rivabord "Prallhang" genannt. Er entsteht, wenn der Fluss sich in die Schuttfächer und Hangterrassen hineinfrisst und dabei steile Hänge bildet. Dieses Phänomen konnte beim Hochwasser 2005 gut am grossen Rivabord unterhalb Monbiel beobachtet werden.
Faktor Mensch
Auch wenn die grossen Naturereignisse selbstredend eine natürliche Sache sind - der Mensch kann sie verstärken oder sogar auslösen. Vor allem Eingriffe in die Vegetation stören das Gleichgewicht der Kräfte. Die grossen Rüfen und Überschwemmungen im Raum Davos-Klosters wurden unter anderem dadurch begünstigt, dass vor ein paar Jahrhunderten der Wald zugunsten des intensiven Bergbaus fast ganz abgeholzt wurden.
Heute greift der Mensch hauptsächlich indirekt über die von ihm mitverursachte Klimaveränderung ein. Die Häufigkeit von grossen Naturereignissen steigt stetig.
Der Mensch muss sich in den Alpen verstärkt mit kostspieligen Massnahmen schützen.